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Rezension: Die dunkle Königin

Viele kleine und große Krisenherde schwelen in Westeros: Königin-Regentin Cersei muss mit unterdrückter Wut feststellen, dass sich ihre viel jüngere Konkurrentin Margaery in Köningsmund eine große Anhängerschaft gesichert hat, schliesslich muss sie der jungen Frau auch noch das Zugeständnis einer Hochzeit mit ihrem Sohn Tommen, dem amtierenden König, machen. Doch auch Tommen droht ihr zu entgleiten, da Margaery sich des viel jüngeren Spielgefährten und Ehemann mit geschickt gewählten Geschenken und Schmeichelei versichert.

Es liegt auf der Hand, was nun für Cersei zu tun bleibt - sie muss die ungeliebte Schwiegertochter aus dem Haus Tyrell endlich loswerden, und was würde sich besser anbieten, als die vorgebliche Jungfrau zu entehren?
So schmiedet die Königin-Regentin immer mehr Ränke, um Margaery in Misskredit zu bringen, und verliert in all ihrem Verfolgungswahn und der Vorstellung, die wahre Erbin ihres geschickt taktierenden Vaters zu sein, nach und nach die Bodenhaftung und errichtet eine Herrschaft, die ihren Launen unterworfen ist. Treue Gefolgsleute der eigenen Seite kehren sich von ihr ab, und selbst ihr Zwillingsbruder Jaime, der stets treu an ihrer Seite stand, ist nur zu glücklich über die Gelegenheit, Königsmund zu verlassen ...

Noch immer ist die Burg Schnellwasser nicht gefallen, und wer wäre besser geeignet, einen Sieg in der Belagerung zu erlangen, als der vielgerühmte Königsmörder Jaime? Der Feldzug konfrontiert ihn jedoch auch mit seinem größten Manko - seit er seine Schwerthand verloren hat, empfindet er sich nur noch schwach und wehrlos.
Doch Jaime Lennister wäre nicht der Sohn seines Vaters, würde er dieser Situation kampflos entgegentreten, ausgerechnet Ser Ilyn Payne, der einstige Henker des Königs, wird sein Reisebegleiter und stillschweigender Trainingspartner. Der Sieg über Schnellwasser gestaltet sich jedoch schwieriger als erwartet, und so muss Jaime, gefangen in seinem Eid der toten Lady Catelyn Stark gegenüber, niemals wieder gegen deren Fraktion die Waffen zu erheben, zu einer wenig ritterlichen List greifen ...

Samwell Tarly, die Wildlingsfrau Goldy und Maester Aemon indes setzen ihre beschwerliche Reise fort - während die immer häufiger aufkommenden Gerüchte um Drachensichtungen im Osten dem Greis neues Leben zu verleihen, muss Samwell Tarly mit einem höchst menschlichen Begehren lernen umzugehen - Fleischeslust führt den geschworenen Bruder der Nachtwache nicht nur einmal in Versuchung. Schlielich entscheidet sich Maester Aemons Schicksel, und auf dem Weg von Braavos nach Altsass kann Samwell sich selbst und Goldy nicht mehr entkommen ..

Euron Krähenauge ist der neue König der Eiseninseln, doch sein Bruder Aeron Feuchthaar rüstet zum Widerstand gegen den gottlosen Mann auf dem Meersteinstuhl - auch Victarion, der dritte Sohn des einstigen Königs Balon Graufreud, ist mit seines Bruders Herrschaft nicht zufrieden. Nachdem die Eisenmänner plündernd in den Westen der Königreiche eingedrungen sind und die Schildinseln in einem glorreichen Sieg erobert haben, erzählt Euron Victarion von seinem eigentlichen Plan: Auch er hat die Gerüchte von den Drachen vernommen und will die Frau zur Gemahlin, der sie gehören - und Victarion kommt die Aufgabe zu, sie aus dem Osten zu Euron zu bringen ...

Briennes Reise geht weiter, doch es gibt schlechte Nachrichten, je weiter sie durch das Land streift - die Hinweise auf Sansa Starks Verbleib werden immer geringer, und auch, als sie sich mit ihrem neugewonnenen Knappen Podrick einem reisenden Septon anschließt, kommt sie innerlich nicht zur Ruhe. So wird ihre Reise auch zu einem Blick in eine Vergangenheit, die sie lieber vergessen würde, voller Demütigungen und Schmähungen für eine Frau, die nicht in das gängige Klischee einer Edeldame passen kann. In einem Gasthaus schließlich treffen Brienne und ihre Reisebegleiter auf Briganten und letztendlich auch auf deren Anführerin Lady Eisherz, deren Gnadenlosigkeit allgemein bekannt ist ...
Aryas Wege in Braavos sind vielfältig, mal ist sie als Tempeldienerin im Tempel des Vielgesichtigen Gottes, mal als Muschelverkäuferin in der Hafenstadt unterwegs, immer auf der Suche nach neuen Erkenntnissen und längst ein Teil der bunt gemischten Gesellschaft dort. Als sie jedoch das Recht in die eigenen Hände nimmt, trifft sie die Strafe des Vielgesichtigen Gottes schwer ...



Wieder sind es mehr als sechshundert dicht gepackte Seiten Erzählung, die man als Leser mit 'Die dunkle Königin' in Händen hält, und der eher laue Eindruck des Vorgängerbandes nimmt nun langsam wieder mehr Fahrt auf und führt die in 'Zeit der Krähen' begonnenen Erzählstränge zu einem  vorläufigen Ende.
Vieles wird nur angedeutet, unter anderem die Entwicklung im Osten, von der man als Leser genau wie die handelnden Charaktere nur in Gerüchten erfährt - immer wieder schwappen Erzählungen über Drachen nach Westeros, doch wie Daenerys' Wege im Osten verlaufen, bleibt dabei unklar und schürt die Spannung auf den Folgeband.

Was abermals negativ auffällt, sind die eingedeutschten Eigennamen und damit teilweise auch sehr hahnebüchenen Übersetzungen - wie man von 'King's Landing' auf 'Königsmund' kommt, ist mir schleierhaft, auch verlieren viele Eigennamen durch die Übersetzung an Reiz und Klang ('Casterlystein' ist nur halb so hart im Klang wie 'Casterly Rock', 'Eyrie' verleitet viel mehr zu freien Vogelträumen als 'Hohenehr' und so weiter..)

Königin Cersei bei ihrer eigenen Demontage zu beobachten ist die meiste Zeit durchaus unterhaltsam, allerdings fällt es irgendwann schwer, die Handlungsweise ihrer Umgebung noch nachzuvollziehen - bedenkt man, wie leicht ein Edelmann wie Eddard Stark zu Fall gebracht wurde, als er unbequem wurde, oder Jon Arryn die Bildfläche des Geschehens durch Gift verlassen musste, erscheinen die Lennisters ohne Tywin erstaunlich zahn- und kraftlos.

Dass Jaime gegen seine Zwillingsschwester die Hand nicht erheben würde, ist nachvollziehbar, doch der versammelte Rat, die restlichen Lennisters, oder aber die dem Haus feindlich gesonnenen Tyrells könnten handeln. Stattdessen darf Cersei schalten und walten und durch ihre paranoiden Fehlentscheidungen das Land zugrunde richten - erweckt sie wirklich so viel Ehrfurcht bei den anderen? Doch bevor das Ganze vollkommen unglaubwürdig wird, kommt sie dann doch zu Fall, auf eine Weise, die sich im Vorgängerband mehrfach andeutet - und doch ein herrlicher, weil überraschender Kniff der Erzählweise ist.

Überhaupt entspricht 'Die dunkle Königin' weit mehr dem Erzählstil, den man von den Bänden bis Band 6 gewöhnt ist, als Band 7 - nicht zuletzt, weil George R. R. Martin wieder blutige Ernte unter seinen Charakteren hält und dem einen Tod in 'Zeit der Krähen' deutlich mehr verschiedene Personen in 'Die dunkle Königin' entgegensetzt.
Manchmal erfährt man nur indirekt von einem Tod, deswegen sind diese auch nicht ganz so ernst zu nehmen wie jene, an denen der Leser durch die Erzählperspektive direkt 'dran' ist, immerhin könnten es Lügen oder falsche Erzählungen und Erinnerungen sein. Tatsache ist, dass sich der Leser von einigen Personen verabschieden muss - und die Spannung, wie endgültig die Tode zu nennen sind, spätestens nach der Enthüllung der Identität von Lady Eisherz aufs neue angeheizt wird.

Auch der Erotikfaktor wird in diesem Band wieder bedient, wenngleich auf eine Weise, die bislang eher weniger präsent war - es spricht für George R.R. Martins Erzählstil, dass dieser Bereich des Geschehens nicht zu plump daher kommt und in einigen Anklängen noch eine gewisse Ironie mit sich bringt.
Wer sich Cerseis amourösen Abenteuern widmet, wird sicherlich den ein oder anderen Nebensatz entdecken, der mich beim Lesen schmunzeln ließ. Doch auch bei 'Die dunkle Königin' gibt es Längen, und gerade bei Briennes endlosen Selbstbetrachtungen, so interessant sie auch für die Beleuchtung des Charakters sind, und Cerseis stetig wachsender Paranoia kehrte immer wieder der Gedanke nach ein wenig Straffung der Handlung zurück.

Es scheint, als hätte George R. R. Martin seine Erzählung aus purer Freude am detailreichen Ausarbeiten so weit wie möglich ausgedehnt, ohne die Anstrengung zu bedenken, die für einen Leser ab einer gewissen Länge immer wiederkehrender Grundgedanken entsteht. Wieder waren die Anteile von Arya und Sansa an der Gesamtgeschichte recht gering, was angesichts der interessanten Lebensumstände beider Mädchen sehr schade ist.
Der Blickpunkt auf die Geschehnisse in Dorne war eher beiläufig und hätte auch entfallen können, ohne besonders viel Schaden anzurichten - natürlich sind die Erkenntnisse über die Gründe von Doran Martells Politik interessant, aber sie verändern die laufende Geschichte nicht und bringen sie auch nicht wesentlich voran. 

So bleibt nur zu hoffen, dass mit dem Folgeband die Erzählung wieder mehr Fahrt aufnimmt und der versprochene Blickpunkt auf Charaktere wie Daenerys, Jon Schnee, Tyrion Lennister und andere so spannend ausfällt wie man es angesichts der Entwicklungen erwarten kann. 
Für Neueinsteiger ist dieser Teil wegen der sehr verwickelten Storystränge absolut ungeeignet - bitte beim ersten Band beginnen!

Fazit: Führt die Ereignisse aus Band 7 'Zeit der Krähen' mit mehr Tempo fort, aber der Autor bleibt etwas hinter seinem gewohnten Können zurück. Sieben von zehn möglichen Punkten.

Buchdetails:
Reihe: Das Lied von Eis und Feuer, Band 8
Titel: Die dunkle Königin
Autor: George R. R. Martin
Übersetzer: Andreas Helweg
Buch/Verlagsdaten: blanvalet, März 2012, 608 Seiten Paperback mit Klappbroschur, ISBN-13: 978-3442268603, 15 €

Über Gloria H. Manderfeld

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