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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Neue und alte Freunde


Als sie erwachte, war es dunkel in ihrem Quartier. Selbst die Notbeleuchtung ihrer Arbeitskonsole war deaktiviert, nur wenig Dämmerlicht drang durch die für die Nacht abgedunkelten Fensterscheiben herein. Langsam streckte sie sich, räkelte sich ausgiebig und genoss das Gefühl der umfassenden Wärme in ihrem Bett, das durch den ruhenden Körper neben ihr entstanden war. Er schlief, nahezu lautlos, nur ab und an konnte sie den vagen Eindruck seines Atmens wahrnehmen. Ein Lächeln auf den Lippen drehte sie sich vorsichtig in seine Richtung und schmiegte sich an seinen Rücken, um sich ein wenig Wärme von ihm zu stehlen. 
Behaglich schloß Lienas die Augen wieder, ließ sich in die wohltuende, beruhigende Dunkelheit sinken und ließ die Gedanken einige Momente lang noch kreisen, bevor der Schlaf langsam wieder nach ihr griff. Doch es war schwierig, einzuatmen, die Luft war seltsam stickig geworden, schmeckte dumpf und bitter in ihrer Nase. Tiefer sog sie den Atem in ihre Lungen, aber schnell gewann sie das Gefühl, dass es nicht ausreichen würde. Alarmiert setzte sie sich auf und blickte sich im düsteren Raum um. Konnte es sein, dass die Wände wankten? Oder war ihr wegen des Sauerstoffmangels schwindelig?

Lienas griff sich an den Kragen ihres Schlafanzugoberteils und lockerte ihn hektisch, nun lautstark nach Luft ringend. Was geschah hier, waren die Kontrollen der Luftversorgung ausgeschaltet worden? Gab es irgendeinen Störfall im System des Forts? Ein Angriff? Schnell erhob sie sich aus dem Bett, in dem sich nun auch der Körper des Schläfers krampfartig auf der Suche nach atembarer Luft wand. Die Arbeitskonsole ließ sich nicht aktivieren, und so stand sie schwankend vor der Tür zu ihrem Quartier, die sich nicht öffnen ließ. Es musste ein Angriff sein!
Ihre Lungen schmerzten vor lauter Mühe, der Luft irgendwelche atembaren Anteile abzuringen, dann schankte der Boden deutlicher. Vor den Fenstern leuchtete es grellgelb und rot auf, das allzu vertraute Geräusch von Explosionen und Einschlägen brandete mit Wucht eines anstürmenden Banthas an ihren Kopf heran. Dann schien es, als müsse ihr Schädel von dem Lärm bersten, der das Gebäude erschütterte und den Boden unter ihren Füßen schwanken ließ. Ein Riss entstand in der Decke, als sie versuchte, sich an irgend etwas festzuhalten. Dunkle Sterne tanzen vor ihren Augen, dann platzte die Decke auf und mit einer wahren Lawine aus Staub und Durabeton und Schutt brach die Dunkelheit auf sie herunter, begrub sie unter sich und riss die Offizierin in eine ganz neue Abart von Schwärze, in der es ganz plötzlich still wurde ...

Ruckartig setzte sich Lieutenant Lienas van Arden in ihrem Bett auf und verbrachte die ersten Augenblicke damit, sich in ihrem abgedunkelten Quartier zu orientieren. Es war still, sie war alleine, und die Luft sauber und frisch wie immer. Langsam tastete sie sich über die schweißbedeckte Stirn und atmete eine ganze Weile lang einfach nur vor sich hin.
Sie lebte noch. Es war alles nur ein Traum gewesen, ein Traum von trügerischer Sicherheit und Todesgefahr, der eine Erinnerung zurückbrachte, welche sie nur selten überhaupt zuließ. Wieviele Jahre war es nun her? Es mussten mindestens sieben sein, seit sie damals im Einsatz auf Systur verschüttet worden war, seit dieses Gefühl, gefangen zu sein, so übermächtig gewesen war.

Ein einfacher Auftrag eigentlich, ein schnell ausgeschaltetes Ziel hinter feindlichen Linien, etwas, das sie wie nichts anderes beherrschte und worauf sie stolz war. Doch nach der Erledigung des Auftrages war alles schief gegangen, was schief gehen konnte - neben den Unwägbarkeiten eines städtischen Kampfgebiets kamen noch tektonische Verwerfungen hinzu, die durch eine experimentelle Waffe verursacht worden waren - und republikanische wie auch imperiale Kräfte waren inmitten der auseinander brechenden Stadt gefangen gewesen.  Noch immer konnte sie sich allzu gut an diese Tage erinnern, an denen sie geglaubt hatte, nicht mehr lebend davon zu kommen. An das Gefühl, nur noch dumpfe Luft zu atmen, nicht zu wissen, ob und wie man überhaupt entkommen konnte. Nur ein sehr glücklicher Zufall hatte ihr die Flucht aus dem verschütteten Gebäude ermöglicht ...
Sie wälzte sich auf die Seite und fühlte die kühle Luft der Klimaanlage über ihre nackte Haut an Füßen und dem Bauch streichen, als ihr Oberteil ein Stück weit hochgerutscht war. Hätte sie damals aufhören sollen? Einen anderen Weg als den beschrittenen wählen, andere Entscheidungen treffen? Es war müßig, sich solche Fragen zu stellen, doch in manchen Nächten zupften diese an ihrem Bewusstsein, sie daran erinnernd, dass sie diese niemals würde ganz unterdrücken können.

Es gab so vieles, das derzeit Entscheidungen von ihr verlangte. Jene Nachricht, die sie mitsamt einem neuen Schwung Babyfotos ihres süßen Neffen erhalten hatte und in der ihre Schwägerin Elira sie darum bat, die Vormundschaft für den Kleinen zu übernehmen, wie es wohl zu den Sitten ihrer Familie gehörte, wenn der Ehemann nicht verfügbar war. Dumm nur, dass dieser kleine Junge, der gerade erst wenige Wochen in der Galaxis lebte, der zweite in der Erbfolge eines alderaanischen Adelshauses war. Und Alderaan bedeutete immer eine Menge Ärger, den man einfach nicht mehr los wurde. Wie ultrafest klebender Kaugummi am Stiefelabsatz, nur in sehr viel größer.
Wenn es wenigstens von Arric, dem Vater dieses unschuldigen Kindes, und gleichzeitig Lienas' Bruder, gute Nachrichten gegeben hätte - aber das Ministerium hatte den MIA-Status der 'Red Vigor', Arrics Schiff, noch nicht geändert. Nur über lange und sehr geduldige Suche hatte sie dem Holonet überhaupt einige versteckte Nachrichten abringen können, die unter zwielichtigen Gestalten am letzten Einsatzort des Schiffes ausgetauscht worden waren. Es war die Rede von einem verlustreichen Raumgefecht zwischen imperialen und republikanischen Kräften, wieder einmal, um sich die Ressourcen des nahen Planeten zu sichern. 

Aber es gab keine Gefangenenlisten, nichts offizielles. Keine Gefechtsberichte, noch nicht einmal ein Dementi. Der Kampf wurde einfach totgeschwiegen. Und Lienas' Vater hatte sich rundheraus geweigert, ein Schiff zur Aufklärung loszuschicken. Nicht einmal einen sprungfähigen Bomber oder einen Scout seiner Flotte wollte Admiral van Arden entbehren, zu wichtig seien alle verfügbaren Kräfte dort, wo er gerade seinen Dienst verrichtete. 
Die Miene ihres Vaters war hart und kalt gewesen während des Subraumgesprächs, und beide hatten sich nur mit einem wortlosen Kopfnicken verabschiedet. Lienas, weil sie ihre unbändige Wut nicht anders unter Kontrolle bekam, ihr Vater, weil er sich stets so verabschiedete. Eigentlich hatte sie PFC Jiros mit der wenig zufriedenstellenden Informationslage eine Lektion erteilen wollen - dass man in manchen Konflikten einfach nichts in die Hand bekam, um damit arbeiten zu können, und es doch tun musste. 
Aber der Soldat, den sie nun schon seit mehreren Monaten in verdeckten Taktiken unterrichtete, hatte sich als erstaunlich tatendurstig erwiesen, hatte sie mit seiner ruhig vorgebrachten Loyalität auf eine Weise konfrontiert, die sie weder erwartet hätte noch einfordern würde. Und sie hatten einen kleinen Plan geschmiedet, Ideen gesammelt. Es war ihm gelungen, sie für einige Zeit lang glauben zu lassen, dass sie trotz aller schlechten Vorzeichen doch etwas tun konnten - und das hatte ausgereicht, sie wieder ein bisschen Zuversicht fassen zu lassen. Es hatte gut getan, keine Fragen beantworten zu müssen, sondern einfach planen zu können. Verständnis hatte sie nicht erwartet und doch einfach so erhalten - wie auch einen Tag später im Gespräch mit Captain Thrace, der ihre Nachdenklichkeit ebenfalls sehr schnell bemerkt hatte.

Wurde sie langsam nachlässig? Es war eine Woche der Fragen und Überraschungen gewesen. Ließ sie sich innerlich etwa inzwischen nieder? Sie knüpfte Verbindungen, ließ Dinge entstehen - und hinterfragte sie nicht. Freundschaften. Nähe. Verständnis. Mal hier eine launige Bemerkung, mal dort einen Scherz. 
Kurz zuckten ihre Mundwinkel empor, als sie an den orangefarbenen Aufkleber dachte, den sie von Master Sergeant Blex erhalten hatte. Er war ein Gag, den man nur verstand, wenn man Blex kannte - nun zierte er den linken oberen Rand ihrer Arbeitskonsole in ihrem Büro und ließ sie jedes Mal schmunzeln, wenn sie ihn sah. Winzige Details, die bewiesen, dass die Menschen, welche in Fort Asha ihren Dienst versahen, sie in ihre Mitte aufgenommen hatten - für einen Agenten, der jegliche Art von Bindung für gewöhnlich vermied, ein ziemlich seltsamer Gedanke.
Auch der immer charmante Specialist Reyes hatte sie bislang nicht enttäuscht - er hatte Major Delman geschickt und vor allem schnell nachgespürt, ganz wie sie es ihm aufgegeben hatte, und die Ergebnisse gaben ihr zumindest einen Eindruck dessen, was sie mit Delman vor sich hatte. Ganz sicher einen Offizier, der ein interessanter Gegner sein konnte, mit dem man rechnen musste. Und der weitaus mehr wusste, was er tat, als er es andere glauben ließ - wie sie es fast vermutet hatte. Aber alles andere wäre auch langweilig gewesen. Zudem hatte sich Reyes eine Herausforderung gewünscht, nun, damit konnte sie sicherlich aufwarten. Und sei es nur, um zu sehen, was er unter echtem Druck alles leisten konnte.

Langsam rieb sich Lienas das schmerzende Kinn. Der letzte Übungskampf mit Captain Stryder-Garrde steckte ihr noch immer in den Knochen. Auch wenn es mit Vibroklingen begonnen hatte, waren sie nicht nur dabei geblieben - denn beide kämpfen nicht so fair, wie man es bei einem Trainingskampf hätte vermuten können. Sie hatten sich nichts geschenkt, nicht nachgegeben, und Lienas hatte es sehr zufriedengestellt, wie lange Stryder-Garrde das hohe Kampftempo durchgehalten hatte. Es zahlte sich aus, ihn regelmäßig zu fordern. In diesem Punkt scheinen sie sich zu gleichen - ein echter Gegner forderte sie beide erst richtig heraus und führte sie zu besseren Leistungen, egal wobei. Sicher würde er niemals wieder das Können erreichen können, das er mit einer intakten Lunge zu bringen imstande wäre. Aber auch so war er ein Gegner, bei dem man sich in Acht nehmen musste.
Und ja, auch wenn ihr jetzt das Kinn und all jene Stellen des Körpers wehtaten, an denen er sie mit der Trainingsvibroklinge und dem dort angebrachten Schocker erwischt hatte, hatte dieser Kampf ohne Zurückhaltung doch gut getan. Den Kopf frei gemacht - wie auch das offene und erstaunlich entspannte Gespräch danach. Die neuen Erkenntnisse, welche das Verhör von Colonel Keeler erbracht hatten, waren beunruhigend genug: eine durchgedrehte KI sollte für all die Anschläge verantwortlich sein. Nicht auszudenken, zu was diese künstliche Intelligenz noch alles fähig sein mochte, wenn sie jetzt schon ohne jegliche Zurückhaltung über Leichen ging.

Sie würden sich wieder anpassen müssen, neue Taktiken erproben - aber wie kämpfte man gegen ein elektronisches Gehirn, das so viel schneller denken und verknüpfen konnte als die Hirne der lebenden Gegenspieler? Stryder-Garrdes Ansatz war vielversprechend, und heute würde sie ihren Mann für die anstehende Aufgabe briefen müssen - wenngleich nicht ganz so, wie er es erwarten würde.
Lienas drehte sich erneut im Bett und ließ die erschreckenden Bilder ihres Traumes noch einmal Revue passieren. Einige Elemente waren neu gewesen, aber erklärlich - und der Traum hatte ihr einen Gedanken offeriert, den sie zuvor in diesem Zusammenhang nicht hatte sehen wollen. Zu den neuen Freunden gab es vielleicht noch einen alten, den sie um Hilfe bitten konnte. Es gab viel vorzubereiten, noch mehr zu tun. Nachdenklich richtete sie den Blick an die Wand gegenüber und begann, den kommenden Diensttag zu planen, bevor sie wieder in den Schlaf versank, dieses Mal traumlos und sehr viel entspannter als zuvor....

Über Gloria H. Manderfeld

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