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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Viele kleine Boxen



Regen strömte die Fensterscheibe entlang hinab, und das nächtliche Kaas City zeigte seine lichterfüllte Silhouette. Umherfliegende Shuttles waren die einzigen hellen Punkte, die sich vor der bombastischen Kulisse bewegten und verrieten, dass die wichtigste Stadt des Sith-Imperiums von Leben erfüllt war. Lieutenant Lienas van Arden stand an einem raumhohen Fenster, zog abermals an der Zigarre, die sie locker mit der rechten Hand hielt, und blickte hinaus. Es war einer der wenigen Tage im Jahr, an denen sie vollständig in Zivil gekleidet war, und inzwischen war es ein sehr ungewohntes Gefühl. 
Der klare, knappe Sitz ihrer Uniformjacke kleidete sie immer, und wenn sie die dunkelrote Offiziersjacke des Sturmregiments anzog, musste sie sich den ganzen Tag lang keine Gedanken machen, wie sie aussah. Es war von Vorteil, wenn einem Offizier seine Uniform stand, und sie nahm diesen Vorteil mit einer gewissen Zufriedenheit hin.

Umso deutlicher war der Unterschied zu den Tagen, die alleine dem zivilien Aspekt ihres Daseins gehörten. Sie trug den weiten, bequemen Pullover, den Elira ihr zum Lebensfest geschenkt hatte. Er war genau das, was sie für gewöhnlich nicht mochte: er war cremefarben, ließ die Schultern frei und er war flauschig. Und doch hatte sie ihn angezogen und sich für das Geschenk bedankt. Der Pullover war zudem ausgesprochen bequem.
 Wenn es eine Konstante auf Dromund Kaas gab, war es der Regen. Neulich hatte sie die Frage beantworten müssen, ob ihr der Regen fehlte. Inzwischen tat er das nicht mehr, schon seit Jahren nicht mehr, aber er fühlte sich nach wie vor vertraut an. Es war dennoch eine Art Nach-Hause-Kommen, wenn sie den Raumhafen von Kaas verließ. Und jetzt hatte sie hier wieder Familie, die sie auch besuchen wollte. Eliras Einladung, gemeinsam mit ihr einige Tage während des Lebensfests zu verbringen, hatte sie erst nach längerem Überlegen angenommen. Auf dem Stützpunkt wusste man, wo sie sich befand, sie hatte ordnungsgemäß Urlaub genommen und war mit der Phantom geflogen, um schnell nach Jaguada zurückkehren zu können, wenn es nötig sein würde. Bislang jedoch schien es überall still, als würde sich auch die wildgewordene KI einige Festtage gönnen.

Deswegen war sie geflogen, hatte eine kurze Nachricht an den passenden Stellen hinterlassen. Bislang war es ein schöner Abend gewesen, mit alkoholfreiem Punsch, Obstkuchen nach einem alderaanischen Familienrezept und Gesprächen über die kleinen und großen Sorgen, die Elira mit dem kleinen Olvan hatte. Sie hatte ihren Neffen den halben Abend auf dem Arm gehabt und es fühlte sich gut an. 
Er schlief inzwischen so ruhig bei ihr, dass es ihr fast das Herz zerriss, wenn er sich im Schlummer regte, die kleinen Händchen nach irgend etwas tasteten, das er nur im Schlaf sehen konnte. Wie konnte es einem so kleinen Wesen möglich sein, sie dermaßen stark zu beeinflussen? Er war nicht einmal ihr eigenes Kind. War es mit eigenen Kindern etwa noch schlimmer?
Dennoch war sie sich sicher, dass ihr Versprechen an ihn die richtige Entscheidung war. Einige Fäden hatte sie bereits gezogen. Die nächsten würden folgen, nach und nach. Es würde Geduld erfordern, und Hilfe, und wenn sie ersteres aufbringen konnte, aufbringen musste, war es erleichternd zu wissen, dass sie Hilfe erhalten würde, wenn sie danach fragte. Nur ein paar Worte würden genügen. Diejenigen, die sie fragen konnte, würden vermutlich nicht allzu viel wissen wollen, und einige hatten bereits zugesagt. Es war ihr wichtigstes Geschenk für dieses Lebensfest, das einzige, das sie wirklich gewollt hatte. Nun ja, der Pullover war auch nicht schlecht.

Sie ließ die Gedanken schweifen, zu all den kleinen Boxen, die an diesem Tag durch die duldsamen Droiden des Stützpunkts ausgeliefert wurden, pünktlich zum eigentlichen Festtag. So wenig sie normalerweise von Feierlichkeiten wie diesen hielt, so hatte sie doch in diesem Jahr das Bedürfnis gehabt, einigen anderen zu zeigen, dass sie ihr nicht egal waren.
Du gehst Bindungen ein, hatte sie sich mehr als einmal gesagt, aber dieses Mal hatte sie die Stimme so gut wie möglich überhört. Ab und an musste das Gefühl ihrer persönlichen Sicherheit und Distanz zu anderen für etwas Wichtigeres unterdrückt werden. Für ein Innehalten im rasend schnellen Voranschreiten der Ereignisse.

Und eine dieser Boxen war seit zwei Wochen unterwegs, an einen neutralen, gesicherten Ort geschickt, wo sie auf ihren Empfänger geduldig warten würde. Falls dieser überhaupt noch kommen würde, um diese Box zu finden, zu öffnen und sich über sein Geschenk zu freuen. Der Solanthe-Sektor war so nah und doch gleichzeitig so weit entfernt, dass sie wieder nur warten konnte. 
Dem spärlichen Informationsfluss über gewisse Kampfhandlungen folgen und hoffen, dass alles so ausgehen würde, dass am Ende die Nachricht in einem unauffälligen Forum für Zigarrenliebhaber, die ihn vom Eingang einer neuen Botschaft an einem bestimmten Ort unterrichtete, nicht ungelesen irgendwann im Holonet erlöschen würde. Ein alter Freund, weit entfernt, auf der falschen Seite - und doch einer der wenigen Menschen, die ihr Leben am längsten begleitet hatten. 
Bleib am Leben, dachte sie. Mehr wünschte sie ihm nicht, und es war der wichtigste Wunsch, den sie ihm zu geben hatte.

Genüsslich blies sie den Rauch in die Luft, folgte dem entstehenden Rauchring mit ihrem Blick und beobachtete, wie sich der Rauch in der klimatisierten Umgebung der eleganten Wohnung zerfaserte. Was würden wohl die Reaktionen sein, wenn die Empfänger ihre kleinen Boxen öffnen würden? Sie hatte sich bewusst einer direkten Beobachtung entzogen, aber neugierig war sie dennoch. Einen Vorteil hatte die ganze Sache jedoch: Wenn der Inhalt der Versandboxen nicht gefiel, dann würde sie es auch nicht mitbekommen. 
Vielleicht wären die Empfänger auch höflich genug, Freude zu heucheln, während das dazugehörige Geschenk längst in irgendeinem Müllschlucker entsorgt war. 

Wobei sie zumindest bei MSG Calvin Blex hoffte, dass ihm das sechseckige, dunkelgraue Etui gefallen würde, das sie extra für ihn hatte anfertigen lassen. Seine selbstgestalteten Aufkleber passten perfekt hinein - auch dafür hatte das Ansichtsexemplar getaugt, das nun auf ihrer Arbeitskonsole klebte. 
Das Etui konnte an den Gürtel des Standard-Kampfanzugs geclipt werden, ideal dafür, mit Aufklebern bestückt, genau dann benutzt zu werden, wenn er irgendwem einen solchen verpassen wollte, ohne erst mühsam damit herum zu hantieren. Sie wusste, eigentlich hätte sie einen solchen Freizeitspaß nicht unterstützen sollen, aber sie mochte die Aufkleber. Und Blex würde wissen, wie es gemeint war.
Wie Colonel Keith Sordan sein Geschenk einlösen würde, würde ihr vielleicht auch etwas über ihn selbst verraten - und ein bisschen befriedigte Neugierde machte ihr das Schenken definitiv leichter. Seit sie beim Militärball gehört hatte, dass der Colonel gerne tanzte, war der Gedanke an ein Geschenk wie den kleinen Gutschein für einen Abend und zwei Personen in einem exclusiven Tanzcafé in Jaguada City samt Dinner und Getränken nicht aus ihrem Hinterkopf gewichen. Und er hatte sich diesen Gutschein in den letzten zwei Monaten verdient. Wen würde er wohl einladen? Sollte seine Wahl auf seine mehr als unwillige Tanzpartnerin vom Ball fallen, wäre es auf jeden Fall schon allein wegen des Gesichts der Chefärztin wert, sich am selben Abend in jenem Café aufzuhalten...

Das Geschenk für PFC Avanum Jiros zu finden war ihr leicht gefallen - er mochte guten Alkohol und gute Zigarren, und genau das hatte sie ihm zugedacht. Der corellianische Whisky in seiner Box war 18 Jahre alt und von einer seltenen, exclusiven Sorte, die man nur über viele Umwege erhielt. Dazu vier verschiedene Zigarren, eine jede ein Geschmackserlebnis für sich. Zigarren, die man rauchte, um sich vom Aroma forttragen zu lassen, nicht um zu rauchen.
Von vage süß bis sehr würzig hatte sie sehr sorgsam ausgewählt - ein Querschnitt des Genusses, der ihm zumindest für einige Zeit den Lebensstil gönnen würde, den er so sehr schätzte. Es würde ihr Spaß machen, ihn in ein paar Wochen zu fragen, welche Zigarre ihm am Besten geschmeckt hatte - und woran er beim Rauchen gedacht hatte.
Auch bei SSG Reynold Limsharn hatte sie nicht lange überlegen müssen. Nach einigen amüsanten Gerüchten aus dem Wachlokal, dass dort seit einigen Wochen bei Limsharns Dienst die Folgen einer Holonet-Serie mit Militärhintergrund laufen sollten, war sie neugierig geworden. Die Serie war wirklich nicht übel.
Inzwischen hatte sie die zweite Staffel begonnen - nächtliche Recherchen neigten eben dazu, zeitaufwendig zu sein - und es sich nicht nehmen lassen, eine Sonderedition von "Dropship" mit Hintergrundstories zu den Schauspielern, den Drehorten und den Charakteren aufzutreiben. Vier Stunden pures Bonusmaterial für echte Fans, zusätzlich zu einem Kurzfilm, der die explosive Affäre zwischen Corporal Donegall und Lieutenant Rivari näher beleuchtete. Vielleicht würde er ihr die Sonderedition irgendwann mal ausleihen.

Das Geschenk für SPC Kordath Reyes entstammte einem Momentgedanken, nicht der Planung - ein Wellness-Wochenende bei einer sehr exclusiven Örtlichkeit auf Nar Shadaa, die sich auch nicht dafür zu schade war, den Entspannungswilligen gewisse Dienstleistungen anzubieten, wenn sie gewünscht waren, oder aber die Gelegenheit gaben, andere Entspannungswillige diskret kennen zu lernen. Nach dem verheerenden Ausflug in die Fabrikanlage der wildgewordenen KI hatte der ansonsten immer so gut gelaunte junge Mann eine kleine Aufmunterung weidlich verdient. Und wer regelmäßig trainierte - seine muskulöse Gestalt verriet, dass er das tat - würde ausgiebige, kräftige Massagen und Körperpflege sicher zu schätzen wissen, selbst wenn es ihm im ersten Momend als weibisch erscheinen mochte.
Das Geschenk für SGT Saphire Morrison war noch nicht stofflich, aber es nahm Gestalt an. In der Box nur dadurch repräsentiert, dass sich darin ein Datapad mit der dienstlichen Anweisung befand, dem Sergeant eine neue personalisierte Waffe auszuhändigen, sobald diese auf dem Stützpunkt eingetroffen war.
Ihre vorherige hatte Morrison auf Kaas verloren, als die KI das Team auf der verdammten Brücke in die Luft zu sprengen versuchte, und Lienas wusste sehr gut, wie schmerzhaft es war, ein Werkzeug zu verlieren, an das man vielleicht schon über Jahre gewöhnt war. Es wäre ihr mit ihrem eigenen Scharfschützengewehr wohl nicht anders ergangen. Die neue Waffe entsprach in so gut wie allem der alten, mit einigen moderneren Modifikationen natürlich, denn die Technik hatte sich ein wenig weiterentwickelt. Vielleicht würde ihr diese neue Waffe den Wiedereinstieg in den Dienst nach ihrer Genesung erleichtern - es hatte ein bisschen Überzeugungskunst gekostet, das möglich zu machen und sie hatte es gerne getan.

Auch PFC Logan Saspirinowitsch würde eine solche Box vorfinden, wenngleich er sie vielleicht nicht erwartet hatte - aber in diesem Jahr ließ sie niemanden aus, der irgendwie eine Bedeutung für sie hatte. Ein volles Set Arbeitsgerätschaften für Techniker, vom Schraubenschlüssel über den Hydrospanner bis hin zu einem Technikteil, bei dem Lienas nicht einmal wusste, was man damit machte - aus bestem Durastahl gefertigt, mit Griffen aus schwarz gefärbtem Banthaleder, die weich und schmeichelnd in der Hand lagen. Dazu auf jedes Stück ein winziger Totenkopf eingeprägt, der Logans Tätowierung nachempfinden war. Etwas, das man wie ein Holocom jeden Tag in die Hand nahm und sich an der guten Verarbeitung und Qualität erfreuen konnte.
CPT Amon Stryder-Garrdes Geschenk war die doppeldeutige Gabe eines ehemaligen Agenten an einen ehemaligen Agenten, und sie war sich ziemlich sicher, dass er die Vielschichtigkeit erkennen würde. Alles andere hätte sie schwer enttäuscht ... bislang hatte sie ihn oft irgendwo hin treten wollen, am besten mit voller Kraft in seine verlängerte Rückseite, aber enttäuscht hatte er sie bislang noch nicht. Nicht einmal mit der Alderaan-Sache.
Das schlanke, perfekt ausbalancierte Stilett in der weichen Lederscheide war die geeignete Waffe, um sie im Stiefel zu verbergen oder sie an den Unterarm zu schnallen, um sich gegen einen Feind einen Vorteil zu verschaffen. Der Durastahl schimmerte bläulich, eine vollkommene Synthese zwischen tödlicher Schönheit und Funktionalität, ein effizientes Werkzeug für jemanden, der Effizienz über alles schätzte. Und der wusste, wie man eine solche Klinge zu führen hatte.

Das schwierigste Geschenk von allen war jenes für den anderen Captain - Carsson Thrace. Ihm eine besondere Sorte Caf zu schenken schien ihr unpassend, oder Zigarren, oder Whisky. Diese Dinge gehörten so offensichtlich zu seinem Alltag, dass es nichts aussergewöhnliches war. Er hatte so wenige eindeutige Gewohnheiten, dass es gleichzeitig einfach und doch unglaublich schwer war, etwas für ihn zu finden. Genügsame Menschen zu beschenken war für Lienas ein stiller Alptraum. 
Darüber hatte sie etwa zwei Wochen nachdenken müssen, und noch immer war sie sich nicht sicher, ob er den Inhalt seiner Box mögen würde. Vermutlich war es das unpassendste Geschenk, das er jemals erhalten hatte, oder das langweiligste.
Sie hatte extra dafür eine größere Box bereitstellen lassen, denn die dunkelgraue, schlichte Decke, die sie so klein wie möglich gefaltet hatte, hätte in das andere Modell nicht hineingepasst. Die Decke war breit genug, um ein Doppelbett zu überspannen und noch genug Platz zu lassen, dass man bequem darunter liegen konnte - sauteure Thermofaser, die bei einem Temperaturspektrum von 5° unter Null bis 35° über Null ein angenehmes Schlafklima entstehen ließ. Nichts Besonderes, praktisch, ein Gegenstand des Alltags, den man nicht zwingend brauchte. Für gemütlichen, entspannten Schlaf - etwas, das einem Offizier mit einer Menge Gedanken im Kopf manchmal zu sehr fehlte.

Jeder Box - bis auf die eine, die das Feindgebiet längst erreicht hatte - war ein schlichter Flimsizettel beigelegt, auf dem sie handschriftlich etwas notiert hatte - nur drei Worte, bei jedem dieselben, gepaart mit dem Kürzel, das sie üblicherweise unter dienstliche Nachrichten setzte, wenn sie nicht die volle Unterschrift leisten musste: Danke für alles. - LvA
"Lienas, kommst Du? Der Film fängt an und Du wolltest ihn doch sehen ..." Die melodische Stimme ihrer Schwägerin riss sie aus ihren Gedanken und Lienas drückte das glühende Ende ihrer Zigarre im Aschenbecher auf dem kleinen Tisch neben ihr aus. Zeit, zu ihr zurückzukehren. In ein anderes Leben, in dem für einige Stunden, wenige Tage nur, die Waffen schwiegen.

Über Gloria H. Manderfeld

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