Slogan Nerd-Gedanken
Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Kleiner blauer Vogel



Gläser klirrten, das Stimmengemurmel der Gäste gepaart mit dem immer wiederkehrenden Geklingel der Spielautomaten erfüllte den Raum und schuf jene einzigartige Atmosphäre, die man von allen Planeten der Galaxis vor allem auf Nar Shaddaa finden konnte. Wer zuviel Geld hatte, oder auch zuwenig, dafür aber zuviele Hoffnungen, welches zu gewinnen, fand sich irgendwann hier ein. Und viele von diesen Leuten landeten irgendwann im Blue Moon Casino. Es war nicht so exclusiv wie das Sternenstundencasino, aber erfreulicherweise auch nicht so teuer.
Lienas van Arden, an diesem Ort nicht unter diesem Namen bekannt, sondern als eine der Barkeeperinnen des Blue Moon Casino, trat von einem Bein auf das andere. Am Ende der Zehnstundenschicht an der Bar schmerzten ihre Füße immer. Und der Rücken. Ihre Ohren summten, und so gut wie jeder Muskel in ihrem Körper hinterließ den Eindruck, dass sie mindestens zehn Jahre älter war. 

Barkeeper war ein Knochenjob, und man musste stets lächeln, stets flirten, wenn man die Drinks servierte. Inzwischen war sie in allen diesen Disziplinen sehr gut geworden, vor allem dann, wenn sie ihre Belastungsgrenze erreichte. Ihr Lächeln wurde ungleich strahlender, wenn sie müde wurde, und sie gab sich bei jedem Drink noch etwas mehr Mühe als zuvor. Wer lächelte, bekam Trinkgeld, wer flirtete, bekam noch mehr. Wer als Barkeeper viel Trinkgeld einfuhr, wirkte realistisch - und ihre Tarnung blieb gewahrt.
Sie goss geschickt drei verschiedene Sorten Alkohol zusammen und fügte Saft und Eiswürfel hinzu, bevor sie das Cocktailglas mit einem Schirmchen und zwei Fruchtscheiben garnierte, bevor sie es dem Rodianer servierte, der den Drink bestellt hatte. Auch er gab ein großzügiges Trinkgeld, welches sie mit geübter Geste einstrich, während ihr Blick über die Gäste glitt, die an einem der Pazaak-Tische in der Nähe der Bar spielten. 
Ihre Zielperson saß seit vier Stunden dort und hatte seitdem fünf Drinks geordert. Jeden davon hatte sie ihm persönlich serviert, gelächelt, sich so gedreht, dass er den Po in ihrer engen Hose gut sehen konnte, und auch die Beine, die durch ihre hochhackigen Stiefeletten besonders betont wurden. 

Fliegen fängt man mit Honig, und eine ihrer bevorzugten Methoden war es, ein Zielobjekt langsam zu erobern, wenn man ihr die Zeit dazu ließ. Zweimal hatte sie bereits eine Essenseinladung von ihm ausgeschlagen und wurde seitdem von seiner Aufmerksamkeit geradezu belagert. Ein paar hochwertige Casino-Chips steckten zum Beweis dessen in ihrer Hosentasche.
Am Ende ihrer Schicht wollte er heute mit ihr ausgehen, und dieses Mal würde sie ihn nicht hinhalten. Sie fühlte sich zwar total erledigt, aber ein guter Aufputscher würde sie wieder in die richtige Bahn bringen. In dieser Nacht - die Bezeichnung 'Abend' lag schon fünf Stunden hinter diesem - würde sie ihm vielleicht einen Kuss gestatten, vielleicht auch ein bisschen Fummeln. Fummeln war hervorragend, um den anderen unauffällig abzutasten und herauszufinden, ob er am Körper verborgene Waffen trug. 
Wo sich die Dinge befanden, die er dauernd benötigte, wie Credsticks, Schlüsselkarten, seinen Handcomp. Wissen, das es ihr ermöglichen würde, ihm eine bestimmte Information abzujagen, von der sie noch nicht wusste, wo er sie verbarg. Idealerweise so, dass er nicht merkte, wonach sie suchte. Ein lauter Schrei und ein Krachen vom Pazaak-Tisch ließ ihre Aufmerksamkeit zu den Spielern zurückkehren.

Ihre Zielperson und einer seiner Mitspieler hatten sich gepackt und brüllten sich an, während der umgestürzte Tisch mit allen Karten nebendran lag, Chips sich wie eine kleine Flutwelle über den Teppichboden des Casinos ergossen. Fast sofort entwickelte sich eine handfeste Schlägerei, bei der einer den anderen als Falschspieler bezeichnete und bei der die anderen Spieler durch ihre Kommentare das Ganze noch etwas anheizten. Der perfekte Moment, um sich gewinnbringend einzubringen - Lienas warf ihr Messer zum Früchteschneiden beiseite und rannte in Richtung der Spieler, um ihrer Zielperson beizustehen. 
Als sie versuchte, ihn aus dem Kampfknäul herauszuziehen, wurde sie schnell ein Teil des Kampfes und fand sich auf dem Boden wieder, steckte einen ordentlichen Schwinger eines Sullustaners ein und rammte einem Menschen die geballte Faust ins Gesicht, der eben versucht hatte, sie in den Oberschenkel zu beißen. Als eine Zentnerladung auf ihren Hinterkopf herunter krachte, konnte sie nur feststellen, dass das Muster des Casinoteppichbodens sich ihren Augen rapide näherte, bevor es plötzlich dunkel wurde ...

Sie musste grinsen, als sie den Gedanken an dieses Erlebnis langsam beiseite schob und sich ihr Blick wieder auf die Decke konzentrierte, deren abgeblätterte Farbe deutlich davon sprach, dass das gesamte Apartment schon bessere Zeiten gesehen hatte. Vermutlich waren diese Zeiten schon ein halbes Jahrhundert her, wenn man es genau betrachtete. Es roch irgendwie muffig, aber wenigstens waren die Fenster gut schallisoliert und hielten den Lärm des immerwährenden Verkehrs auf Nar Shaddaa draußen. 
Die Finger ineinander verschränkt, lag Lienas van Arden auf dem Bett in dem Zwei-Mann-Raum mit der Trennwand in der mitte, und lauschte auf das kaum hörbare Atmen des anderen Menschen, der hier schlief. So ruhig, so regelmäßig, der Schlaf der Gerechten, wie es schien. Oder die zuverlässige Wirkung einer Schlaftablette, was sie sehr viel eher vermutete. Zumindest schnarchte er nicht, was bei einem medikamentös unterstützten Schlaf wirklich unpraktisch gewesen wäre. Seufzend stemmte sie sich in die Höhe, schlüpfte in ihre Stiefel und glitt nahezu lautlos zur Türe. Mit einem amüsierten Schmunzeln auf den Lippen betrachtete sie den Schlafenden, den sie für die nächsten Tage nur als "JP" bezeichnen durfte. 

Es hieß, dass es nichts gab, was einen attraktiven Mann entstellen konnte, aber sein Bart und die 'depressiver Poet mit unendlichem Weltschmerz'-Frisur bewiesen standhaft das Gegenteil. Wer auch immer ihm zu dieser Tarnung geraten hatte, verstand sein Metier auf erschreckend effiziente Art und Weise. Aber auch sie selbst hatte sich schließlich einer gewissen Änderung unterworfen - die blauhaarige, eng mit ihrem eigenen Haar verknüpfte Perücke mit dem Bob-Schnitt war ungewohnt, aber es brachte das Gefühl früherer Einsätze zurück. Und die Erinnerung an Nar Shaddaa ...
Sie ging auf den Balkon, der zu dem gemieteten Apartment gehörte, hinaus und lehnte sich dann gemächlich ans Geländer. Nachdem sie sich eine Zigarette angesteckt hatte, rauchte sie die ersten Züge und blies den Rauch in den nächtlichen Dunst des Huttenmondes hinaus. Der erste Kontakt mit dem Vertreter der 'Black Weapons' war gut gelaufen, der dunkelhäutige Hühne mit den hellen Augen schien die richtige Einstellung mitzubringen. Und sie hatten sich mit einer Kiste Casino-Chips und einer Kiste Waffen präsentiert, was das Kennenlernen natürlich positiv beeinflusst hatte. Nun würden sie eine Einladungskarte nach Triple Zero erhalten, wenn ihre gefälschten IDs die Sicherheitsüberprüfung überlebten. 

Der SGD hatte bislang ganze Arbeit geleistet und die Soldatentruppe mit dermaßen amüsanten Tarngeschichten ausgestattet,  die erschreckend nahe an der Wahrheit blieben und dennoch genug Raum für eigene Interpretationen ließen. Allein Master Sergeant Blex und Corporal Brent dabei zuzuhören, wie sie einen Abend lang über Nutten und das Weintrinken stritten, verlieh diesem Spezialauftrag eine gewisse Würze.
Es war eine typisch imperiale Taktik, sich einen schwelenden Konflikt zueigen zu machen und zu versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Dass auf Coruscant, der Mitte der Galaxis, schwerwiegende Probleme herrschten, war kein Geheimnis. Dass eine Vereinigung krimineller Kräfte versuchte, dort Kontrolle über einige Sektoren zu gewinnen, nicht überraschend. Diese Kriminellen mit imperialen Mitteln zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass sie den lokalen Sicherheitsbehörden das Leben so schwer wie möglich machten, versprach für einen relativ kleinen Einsatz einen recht großen Gewinn - Destabilisierung der Verhältnisse. 
Und es war eine erste Bewährungsprobe für die neue Spezialisierung des Regiments unter herausfordernden Bedingungen - sich auf Coruscant einschleichen unternahm man schließlich nicht einfach mal nebenher. Die vorbereitende Logistik blieb jedoch dem Sith-Geheimdienst überlassen und bislang hatte der SGD ganze Arbeit beleistet. Lienas schnippte Asche über den Balkon und verfolgte eine in den Neonlichtern Nar Shaddaas vorbeigleitende Hutten-Vergnügungsbarke mit ihrem Blick. 

Dass man ihr ausgerechnet den Namen Yasmin Littlebird verpasst hatte, war da nur eine eher unangenehme Randnotiz - der Name klang so bescheuert, dass er schon wieder realistisch schien. Dazu die blauen Haare, und schon war der Spitzname Bluebird geboren. Oder gleich Blue - gepaart mit einer Menge zotiger Witze. Dass Chiss mit Geschlechtskrankheiten rote Haut bekommen konnten, gehörte auch zu den Dingen, die sie nie vorher hatte wissen wollen, aber nach dem ersten Abend auf Nar dank schauspielernder Soldaten erfahren musste. Seltsamerweise machte es mehr Spaß als gedacht - nur die Nacht brachte eine Einsamkeit mit sich, die sie lange nicht gespürt hatte.
Schweigend rauchte sie die Zigarette fertig und warf die Kippe über die Brüstung, bevor sie ins Apartment zurückkehrte. 
Aus dem Zimmer der 'einfachen Söldner' drang Schnarchen - sie tippte dabei auf Private Olin oder Staff Sergeant Limsharn - während das andere Zimmer der 'Söldner-Führungskräfte' vollkommen ruhig war. Stryder-Garrde schlief noch immer still wie ein Stück Fels, und als sie sich in ihr eigenes Bett legte und die schäbige Decke über die Schulter zog, wandten sich ihre Gedanken in die Ferne. Was wohl gerade auf Fort Asha geschah? Vermutlich würde Captain Thrace gerade Flimsikram erledigen. Einen Whisky trinken, vielleicht ein Sandwich essen oder vergessen, das zu tun. Vollkommen friedlich, innerhalb der sicheren Mauern, die er so sehr schätzte. 

Dieses ruhige Bild hatte wenig mit Nar Shaddaas Geschäftigkeit zu tun und schien ihr doch anziehender als alles, was der Huttenmond zu bieten hatte. Wenn sie von Triple Zero zurückkehrten, würden sie einiges zu erzählen haben, da war sie sich sicher. Ob ihr alter Freund auf Coruscant überrascht wäre zu wissen, dass sie künftig dort immer wieder Zeit verbringen würde, wenn es klappte, sich bei den 'Black Weapons' als brauchbare Partner einzuschleichen? 
Natürlich würde er ahnen, dass da was lief, aber nicht danach fragen. Genauso wie sie nie nach seiner Arbeit fragte. Aber die Chance, ihn derzeit überhaupt auf dem Planeten anzutreffen, war sehr unwahrscheinlich. Nicht nur ihre eigene Arbeit erforderte viele Reisen, deswegen hatte sie sich auch nie eine eigene Wohnung geleistet. 
Wann immer sie aufeinander trafen, waren andere Dinge wichtig - und die Verpflegung war auch weitaus besser als alles, was sie sonstwo bekam. Schade, dass in ihrer ganzen verdeckten Soldatentruppe keiner dabei war, der irgendwie kochen konnte. Die aufgewärmte Dosennahrung des letzten Abends hatte ihr recht deutlich vor Augen geführt, dass diese Fähigkeit durchaus erstrebenswert zu lernen war. Wenn sie dafür nur ansatzweise Talent besäße!

Wieder schmunzelte sie und dachte an Feldpizza, bevor sie sich auf die Seite rollte und die Augen schloss. Das Bett muffelte abgestanden, irgendwie schimmelig, aber nach einer gewissen Zeit gewöhnte man sich daran. Vielleicht sollte sie es auch mit einer Schlaftablette versuchen.
Als der Schlaf langsam herandämmerte, seufzte sie leise und versuchte, sich in ein gewisses Quartier zurückzudenken, mit einer bequemen Decke und vertrauter Wärme dazu. In ein paar Tagen würden sie zurück sein, und dann hatten sie einen Fuß in der Tür auf dem geschäftigsten Planeten der Galaxis. Neue Herausforderungen und neue Gelegenheiten, die sich boten...

Über Gloria H. Manderfeld

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