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Tanzverbot nicht mehr zeitgemäß? Ich finde nicht!


Jedes Jahr zu Ostern kommen sie auf, die Rufe nach dem Erlass des Tanzverbotes zu Ostern. Auf Facebook und in anderen sozialen Medien kursieren dazu Grafiken, auf denen genau aufgeschrieben steht, wann man nicht tanzen darf, und in welchen Bundesländern das Tanzverbot die Feierwilligen am Schlimmsten trifft.
Es wird von staatlicher Willkür gesprochen, von einer nicht ausreichenden Trennung von Kirche und Staat, die sich besonders an Ostern auf so harsche Weise manifestiere, und von aufoktriyierten, antiquierten Reglungen, die längst nicht mehr zeitgemäß seien.
Kurz, man könnte angesichts der vielen Meldungen, bei denen sich Menschen über diesen Eingriff in ihre freie Gestaltung ihrer Freizeit aufregen, wirklich meinen, ein nationaler Notstand sei ausgebrochen. 

Bei allen Menschen, die keiner der christlichen Religion angehören und sich folglich auch mit dem österlichen Gedanken weder beschäftigen wollen noch müssen, kann ich die Empörung durchaus nachvollziehen. Ich selbst würde auch weder zu Ramadan fasten wollen, oder den Sabbat heiligen oder ähnliche Glaubensvorschriften befolgen wollen, da sie mit meiner Religion - ich bin katholische Christin - nicht viel zu tun haben.
Aber: Gleichzeitig möchten gerade die Menschen, welche sich zu Ostern gerne unbegrenztes Partymachen wünschen, auch die durch die Verbindung zur christlichen Religion entstandenen Feiertage als freie Arbeitstage haben.
Wenn das Ganze einen Vorteil, nämlich einen arbeitsfreien Tag, bringt, ist der religiöse Kontext also nichts Schlimmes. Bringt es eine Einschränkung, hier in Form eines Tanzverbotes, mit sich, ist der eigentlich gern mitgenommene Feiertag plötzlich eine totale Zumutung.

Ostern ist ein Fest der Besinnung, der Auseinandersetzung mit dem Sterben, mit dem Tod und dem daraus resultierenden Heilsversprechen der Auferstehung, welches uns durch Jesus Christus gebracht wird. Daran mag man glauben oder nicht - aber ohne diesen Leidensweg Christi gäbe es weder den freien Karfreitag (der Tag, an dem Jesus am Kreuz gestorben ist und deswegen der Trauer und dem Kummer gewidmet ist) noch den freien Ostermontag (gewidmet der Auferstehungsfeierlichkeiten Christi). 
Dass man an einem Tag, der rein von der liturgischen Tradition her Kummer über einen Verlust angesagt ist, nebenher keine dicke Party laufen sollte, versteht sich zumindest für mich von selbst.

Es kann uns eigentlich nicht schaden, wenn es zumindest ab und an mal einen Tag im Leben gibt, an dem durchgängiges Partymachen eben nicht Phase ist, sondern man sich auch mit etwas beschäftigen könnte, das zum Leben dazu gehört: Verlust, Trauer, Kummer und Leid. 
Verlust ist nicht mehr angesagt. An den Tod denken möchte eigentlich niemand gerne, und dennoch passiert er. Wir verlieren Großeltern, Tanten, Onkel, unsere Eltern, vielleicht sogar Geschwister, Cousinen und Cousins, Freunde und Bekannte während unserer Lebenszeit. Und das tut meistens ziemlich weh. So ein Verlust ist nichts zu feiern, auch wenn einen Christen der Gedanke an die Auferstehung trösten sollte. 

Für uns Lebende bleibt eine Lücke zurück, die nicht zu füllen ist, die kein anderer Mensch gleichermaßen ersetzen kann. Manche Menschen werden durch einen solchen Verlust so sehr aus der Bahn geworfen, dass sie ihr normales Leben lange Zeit nicht mehr aufnehmen können. Und ja, so ein Thema schmerzt. Wie gerne würde man einen schmerzlichen Verlust wegfeiern, einfach so tun, als sei er nicht da. Aber das ändert nichts am Verlust an sich und daran, dass man lernen muss, damit zu leben, und weiterzuleben.

Vielleicht sollte der Karfreitag auch zu einem Tag werden, an dem wir Menschen, von denen wir wissen, dass sie an einem Verlust leiden, eine Hand reichen. An dem wir ihnen sagen, dass wir ihren Kummer verstehen können, und hoffen, irgendwie helfen zu können. Schließlich ist geteiltes Leid halbes Leid, wie es das Sprichwort so schön sagt.
Genau deswegen denke ich, dass auch Nichtchristen an einem Tag wie diesem, der immerhin einen arbeitsfreien Tag mit sich bringt, vom ungeliebten Tanzverbot, vom ungeliebten Trauer- und Kummerthema profitieren könnten, würde man mal über den Horizont persönlicher Befindlichkeiten in Form von 'eine übergeordnete Macht sagt mir, was ich nicht tun darf' hinaus blicken.

Leid und Verlust sind schließlich universell, können jeden treffen, jeden aus der Bahn werfen. Auch das gehört zum Leben, genauso wie die Zeiten gemeinsamer Freude und geteilten Glücks. Ich finde nichts Falsches daran, wenn es ab und an einen Tag (hier in Bayern sind es um Ostern herum drei Tage) gibt, an dem das sonstige schnelle Tempo gedrosselt wird und man die Gelegenheit erhält, nachzudenken. 
Und gerade, wenn es unbequem wird, wenn das Thema schmerzt, wenn man es eigentlich so überhaupt nicht im Leben haben will, ist ein Eingriff von außen vielleicht gar nicht so verkehrt - schließlich ist 'nur' das Tanzen im öffentlichen Raum verboten, nicht aber das Zusammenkommen, das Zusammensitzen, das Gemeinsam-Zeit-verbringen.

Die Alternative konsequenter Art wäre indes, alle kirchlich motivierten Feiertage abzuschaffen. Ostern, Weihnachten, Pfingsten und so weiter - und eben an den Werktagen, die während dieser Feiertage normalerweise frei wären, ganz regulär zu arbeiten. Fällt das Ganze auf einen Freitag oder Samstag, darf dann auch getanzt werden, bis die Füße qualmen.
Beides gleichzeitig macht für mich an Gründonnerstag, Karfreitag und Ostersamstag keinen Sinn, denn die zugrundeliegenden Feiertage implizieren eine Zeit der Stille, der Besinnung, der Trauer. Vielleicht ein Gedanke, über den nachzusinnen es wert wäre, bevor man sich über den einschränkenden Staat beschwert, der einem sein Vergnügen nicht gönnt.

Über Gloria H. Manderfeld

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