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Der perfekte Moment

Der perfekte Moment: Lose Enden


Der Regen von Dromund Kaas war überaus vertraut und Lieutenant Lienas van Arden konnte nicht sagen, ob ihr dieser Gedanke gefiel oder nicht. Auf diesem Planeten war sie geboren worden, aufgewachsen, hier hatte sie die Militärakademie besucht. Dennoch war ihre Verbindung zu ihrem Heimatplaneten bestenfalls die Art Beziehung, bei der man versucht, einen weit entfernten, eher unangenehmen Verwandten möglichst wenig zu besuchen. 
Vielleicht hatte sie auch inzwischen den größten Anteil an Heimatgefühl verloren. Im Gegensatz zu manch anderen Militärangehörigen leistete sie sich keine Wohnung auf Kaas, sondern hielt es wie in den Jahren zuvor, zahlte die unverschämt teure Mitgliedschaft in ihrem Offiziersclub und übernachtete im Clubgebäude, wann immer sie Kaas City besuchte. Es hatte eine exclusive Adresse, der Club selbst wurde nur von Offizieren frequentiert und man hatte dort seine Ruhe - mehr erwartete sie nicht. An diesem Tag aber würde sie am Abend gleich zurück fliegen, um möglichst wenig Zeit abseits der Einheit zu verbringen. Wenigstens in diesem Punkt wollte sie ihre Arbeit korrekt verrichten. 

Als sie die Freitreppe vor dem Archivgebäude betrat, richtete sie unweigerlich den Blick in die Höhe. Dunkler Himmel, entfernte Blitze, Regen auf ihrem gebräunten Gesicht. Dunkle Gebäude, welche sich in diesen düsteren Himmel empor reckten. Kaas City bot ein Paradebeispiel imperialer Architektur, die vor allem beeindruckend wirken wollte, megalomanisch. Die wahren Geheimnisse lagen tief unter der aufmerksamkeitsheischenden Fassade verborgen und wurden nur wenigen offenbart. 
Wenn das Imperium eines meisterhaft beherrschte, war es das Akkumulieren von Informationen, die Interpretation von Fakten und gesammeltem Wissen. Hinter einem aufmerksamkeitsheischenden Überbau an blutrünstigen, skrupellosen und machtgierigen Sith sammelten und arbeiteten fleissige Ministeriumsmitarbeiter, Agenten und Soldaten daran, dieser Fassade die nötige Stützkraft zu verleihen.
"Lieutenant Lienas van Arden, Kommandant 17. Sturmregiment Kaas. Ich habe Zugriffsberechtigung auf die Archive für den heutigen Tag," meldete sie sich am Eingang an und ließ die Sicherheitsprüfung der Wachsoldaten geduldig über sich ergehen. Der Wachoffizier scannte ihre Handabdrücke und machte einen Retinaabgleich, bevor er sie mit einem knappen Nicken durch die erste Schleuse einließ. Zwei weitere folgten, mit denselben Sicherheitsprotokollen, einem Stimmabgleich und natürlich dem immer wieder präsentierten Anforderungschip, den Lord Tragos autorisiert hatte. Ohne einen Sith-Lord im Hintergrund hätte sich nicht einmal die äußerste Tür für sie geöffnet, das wusste sie wohl. 


Während sie mit einem der Archiv-Sicherheitsbeamten in den Lift stieg, der sie tief unter die Erde führte, versuchte sie das aufsteigende Gefühl des Unwohlseins zu unterdrücken, das sie bei derlei Fahrten immer befiel. Eine geschlossene Kabine, und sich ins gefühlt Unendliche erstreckende Gänge und Archivkammern warten, doch würde sie diese kaum zu Gesicht bekommen.
"Hier, Lieutenant. Ihre Zeit läuft ab jetzt - Sie haben die beantragten 14 Stunden für Ihre Arbeit." Der Beamte aktivierte ihre Arbeitskonsole und nickte ihr zu, bevor er sich zurückzog. Nahezu lautloses Zischen von der Tür des kleinen Arbeitsbereiches erklang, dann nahm Lienas auf dem erstaunlich bequemen Bürostuhl Platz und gab die ersten Autorisierungscodes ein. Hier war sie mit einem Mal wieder zurück in einer Welt, von der sie geglaubt hatte, sie läge längst hinter ihr. 
Du bist aber nicht mehr beim Geheimdienst.
Die ersten Eingaben waren nur reine Routine, bis sie sich wieder an das Bedienen der Suchalgorythmen und Unterprogramme gewöhnt hatte. Abfragen über die aktuelle Mission ihres Vaters und den MIA-Status ihres Bruders, der nach wie vor unverändert war, bargen nichts Neues für sie. Dennoch war es seltsam tröstlich, die vertrauten Gesichter zu sehen, selbst wenn es nur Hologrammbilder zu den jeweiligen Akten waren.

Die ersre halbe Stunde verstrich damit, dass sie den einigermaßen sauberen Akten, welche sie durch Captain Stryder-Garrdes Codeautorisierung bereits an seinem Schreibtisch gelesen hatte, schmutzige Details hinzufügte. Dinge, die für eine militärische Karriere unerheblich waren, aber dennoch Eingang ins Geheimdienstarchiv gefunden hatten. Sergeant Saphire Morrison. Einträge über die Ausbildung und frühe Aufträge im Geheimdienst, sofern sie nicht als Hochsicherheitsmissionen klassifiziert waren. Dr. Richard Crawford. Werdegang und psychologische Einschätzungen. Sein 'Regen-Date' zeigte Kreativität und Einfühlungsvermögen, welches in seiner Akte nicht abgebildet wurde. Während sich auf dem Display die Datensätze zu häufen begannen, schweiften ihre Gedanken ab.
Es war ein erstaunlich schöner Abend gewesen, schöner als erwartet - sie musste sich selbst gestehen, dass sie seinen Willen dazu, einen besonderen Moment mit ihr zu teilen, unterschätzt hatte. Das gelungene Essen, der Tanz im Anschluss, das Gespräch - alles hatte gepasst, er war ihr nie zu nahe getreten, wenngleich die Andeutung, dass derlei geschehen könnte, immer spürbar gewesen war. Und doch, sie hätte den Abend wohl nicht anders haben wollen. Einfach einige Stunden Kontrastprogramm ohne jeden Gedanken an den Dienst. Oder Gedanken an den perfekten Bogen, den Sergeant Morrisons gefesselter Körper in der Luft beschrieben hatte, von einer aus ihrem Körper gepumpten Blutfontäne gefolgt, als der Verrückte auf sie geschossen hatte. Meine Schuld...

Lienas griff mit Daumen und Zeigefinger an ihre Nasenwurzel und rieb diese einige Momente lang, dann archivierte sie die gewonnenen Daten für die Zeit nach ihrem Besuch. Es musste reichen, einen oberflächlichen Blick zu werfen. Admiral Ashcroft. Er hatte Sergeant Morrison angefordert - und sie würde diesem Navy-Offizier einige Fragen stellen müssen, um die Spur des Sergeants wiederzufinden. Selten hatte sich die ehemalige Agentin so hilflos gefühlt. Selten so wütend darüber, dass ihr Vorgesetzter auf Alderaan herumsaß und ihr einen so großen Haufen Banthamist hinterlassen hatte, dass sie zu ersticken drohte. Von der Tatsache einmal abgesehen, dass sie gleich dreimal hintereinander erklären und einweihen hatte müssen, von Lord Tragos über Colonel Sordan bis hin zu Captain Thrace.
Captain Amon Stryder-Garrde. Querverweise auf Haus Garrde. Lord Seylar Garrde. Neue Namen, neue Akten, neue Puzzlestücke, deren schiere Menge auf sie einprasselten und einen vagen Kopfschmerz zurück ließen. 
Und: Darth Aroval. Nur eine Randnotiz, in einem Nebensatz erwähnt, aber der Captain hatte dieselbe Ausbildung erhalten wie Lienas. Er würde einen solchen Namen niemals ohne Grund erwähnen. Subtext war für Angehörige des Geheimdienstes überlebenswichtig - sie konnten nur hoffen, dass Jiros das eines Tages genauso verinnerlichen würde.

Farraan Garrde. Der nächste der Garrdes, über den es ganz sicher genug Informationen gab - sein Vorgehen hatte Lienas bereits argwöhnen lassen, dass der Count ein ehemaliger Agent sein musste, und bereits die ersten eintreffenden Daten bestätigten diesen Verdacht.  Sheysa Garrde. Shanora Garrde. Zwei Schlüsselfiguren des Hauses, und sicherlich nicht nur das. Allein die doppelte Verbindung zu Captain Stryder-Garrde ließ beide Namen auf ihrer inneren Aufmerksamkeitsperipherie rot aufleuchten. Lord Concabille. Ghurab Karaz. Mit allem verbunden, nicht nur durch Handeln, sondern auch durch Blut. Haus Karaz. Spätestens, wenn Reinblüter ins Spiel kamen, würde die Sache kompliziert werden, komplizierter, als sie es ohnehin schon war. Jetzt wäre ein Urlaub auf irgendeinem Planeten im Outer Rim wirklich eine gute Idee.
Captain Carsson Thrace. Die Gelegenheit war günstig, auch hier einige offene Fragen zu beantworten. Sie hätte ihm diese auch persönlich stellen können, doch manche Gewohnheiten waren einfach stärker. Kein Verdacht. Nur Vorsicht. Mehr denn je war Vorsicht notwendig. Haus Elentaar. Sie traute niemandem, nicht einmal ihrer eigenen Verwandtschaft. Lord Kathro Tragos. Niemandem.

Der erste richtige Kopfschmerz kam nach der fünften Stunde, als die Datenzeichen begannen, vor ihrem Blick zu verschwimmen und seltsame Formen zu bilden. Die letzte Nacht war wohl doch zu kurz gewesen, in der letzten Zeit bekam sie deutlich zu wenig Schlaf. Für gewöhnlich merkte sie es dank Training und sehr viel Caf nicht, aber heute erwies sich diese neue Gewohnheit als fatal. Aus ihrer Uniformjacke förderte sie einen leicht angewärmten Energieriegel zutage und brach sich ein Stück davon ab, kaute sorgsam darauf herum. Er schmeckte widerlich, nach unzähligen Einsätzen auf irgendwelchen unwichtigen Planeten, aber schon nach wenigen Minuten fühlte sie neue Kraft in ihre Adern strömen. 
Wie früher ...
Zeit für die Querverweise. Nur nach einem Namen alleine zu suchen war niemals ausreichend, es war viel entscheidender, die richtigen Rahmensuchbegriffe zu finden und zu nutzen. Tagelang hatte sie darüber nachgedacht, wie sie die passenden Verknüpfungen erstellen konnte, las sich in die meisten der Akten einmal ein, bevor sie entschied, ob sie den vorausgeplanten Pfad weiter beschreiten würde oder nicht. Inzwischen hatte sie alle im Arbeitsraum vorhandenen Displays zugeschaltet und ließ sich auf insgesamt acht Bildschirmen, welche um sie gruppiert waren, die hereinlaufenden Daten anzeigen. Schweigend schob sie hier einen Datensatz weg, sicherte dort einen anderen für die spätere Bearbeitung. 

Der Fokus setzte ein, den man ihr während der ersten Monate ihrer Geheimdienstarbeit eingebläut hatte - ihr Blick blieb ausschließlich auf die Daten gerichtet, alles andere versank in der Bedeutungslosigkeit. Sie hörte ihr Com nicht mehr, welches in jeder Stunde ein kleines Piepsgeräusch von sich gab, um sie an das Vergehen der Zeit zu erinnern. Die Welt wurde kleiner, beschränkte sich auf acht Bildschirme und die Daten, die sie zeigten, unzählige Kolonnen akribisch recherchierter Gewissheiten, verknüpft durch stille gedankliche Verbindungen, durch Hinweise darauf, was sein könnte, was vielleicht gewesen war, und was noch kommen mochte. 
Hier war sie nur noch eines: Eine Jägerin, die endlich eine Spur gefunden hatte und diese verfolgte, egal wie lange es dauern würde und wie anstrengend es sein würde. Irgendwann war es auch nicht mehr wichtig, dass ihr Schädel dröhnte, sich über die schiere Unmöglichkeit beschwerend, so viel auf einmal aufzunehmen, beachten und bewerten zu müssen, und ihr nicht mehr gehorchen wollte...

"Lieutenant? Ihre Zeit ist um," meldete sich eine schnarrende Stimme über das Com des Raumes. Flackernde Datenkolonnen tauchten den kleinen Arbeitsraum in bläuliches Licht, dann erloschen sie zum Logo des Sith-Geheimdienstes, welches sich höhnisch und in aufreizender Langsamkeit auf den acht Bildschirmen zu drehen begann. Hatte sie genug gesehen, genug sammeln können? Würde es ausreichen, um einen Fuß in die nur schwierig zu öffnende Tür zu stellen und sich Einlass zu verschaffen? Würde es ausreichen, um Schlimmeres zu verhindern? Sie verstaute die Datensticks mit ihrer kostbaren Fracht darauf sorgsam und stemmte sich in die Senkrechte. Jede Bewegung verursachte ein hämmerndes Echo in ihrem Kopf. 
Erst als sie nach weiteren Sicherheitskontrollen das Gebäude verlassen konnte, atmete sie wieder freier, der Schmerz wurde in den Hintergrund gedrängt. Der immerwährende Regen von Dromund Kaas hatte etwas tröstliches, wie eine sanfte Liebkosung auf ihrer Haut, kühlend auf der von der vergangenen Anstrengung heißen Stirn. 
Die beiden Eskort-Soldaten warteten geduldig vor dem Gebäude und salutierten erstaunlich frisch, als sie mit müdem Schritt zum Hoverwagen trat, um sich zurück zum Raumhafen bringen zu lassen. Wieviel ihr dieser Ausflug gebracht hatte, würde sich erst in den nächsten Tagen erweisen. Auf ihrem Passagiersitz fielen ihr fast sofort die Augen wieder zu, milde belächelt von einem der Wach-Soldaten. Eine Stunde Schlaf wartete, süßer, ungestörter Schlaf auf dem Rückflug nach Jaguada ...

Über Gloria H. Manderfeld

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