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Film

Rezension: Er ist wieder da

Eines Tages ist er einfach wieder da – Adolf Hitler, der einstige Diktator des Tausendjährigen Reiches. Allerdings ohne Fanfaren oder Militäraufmärsche, er erwacht einfach in einem nicht unbedingt gepflegten Hinterhof mitten in Berlin, wo er auch kurz darauf mit der frechen Schnauze und dem Unverständnis der neuesten Generation von deutschen Jungs konfrontiert wird, die er irrtümlicherweise für Hitlerjungen hält. Vollkommen von der Realität und seinem ungewollten Zeitsprung verwirrt, bricht Hitler schließlich an einem Kiosk zusammen und wird vom Kioskbesitzer erst einmal aufgenommen, der Mitleid mit dem vermeintlichen Method Actor hat.

Währenddessen stellt der vom privaten TV-Sender MyTV gefeuerte Filmemacher Sawatzki fest, dass sich auf dem Filmmaterial seines neuesten Beitrags über Jugendliche in den Brennpunkten Berlins eine ganz und gar unpassende Gestalt befindet – Hitler, der im Hintergrund umher wankt. 
Sofort macht sich Sawatzki auf die Suche nach diesem und stöbert ihn schließlich beim Kiosk auf, wo er dem hoffnungslos abgebrannten Hitler einen verlockenden Vorschlag für eine Dokumentarfilmreihe macht: Gemeinsam bereisen sie Deutschland und drehen verschiedene Episoden davon, wie normale Leute sich beim »Führer« über Dinge beschweren können, die ihnen an ihrem Alltag nicht gefallen.

Am Ende dieser Reise stellt Sawatzki seine Filme bei MyTV vor. Die neue MyTV-Chefin Katia Bellini ist so begeistert von Hitlers Bildschirmpräsenz, dass sie ihn sofort bei der etablierten Comedyshow »Krass, Alter« als Gast-Act unterbringt. Nach seinem ersten, sehr erfolgreichen Auftritt erhält Hitler eine Sekretärin, die versucht, ihm das Internet näher zu bringen – und der Siegeszug des einstigen Führers durch die deutsche Medienlandschaft beginnt, da seine klare Botschaft beim Publikum überraschend gut aufkommt. Als Hitler jedoch von Frank Plasberg mit einem erschreckenden Video aus seiner Dokumentarreise konfrontiert, ist der Medienruhm schnell verloren und Hitler muss aufs Neue versuchen, sich seinen Weg an die Spitze zu bahnen – natürlich mit einem neuen Buch …

Als vor einem Jahr die Buchvorlage »Er ist wieder da« erschien, hielt ich das für einen Gag – bis ich das Buch gelesen und festgestellt hatte, auf welch geschickte Art und Weise Autor Timur Vermes ein im Grunde brandaktuelles Thema verkauft, war ich auf den Film umso gespannter. Dabei hält sich dieser in einigen Dingen nicht an die Buchvorlage – die Dokumentarfilmreise beispielsweise ist nicht Teil des Buchs – und interpretiert auch das Ende des Buches auf eigene Weise. Aber das empfinde ich keineswegs als Nachteil, da die Story so noch verdichtet wird und die eigentliche, von den Filmemachern gewünschte Aussage umso deutlicher zutage tritt.

Hitler erwacht im Berlin des Jahres 2015
Die Erzählung der Film-Story beginnt mit einer Menge Lachern – die erste halbe Stunde, in der sich Hitler in der modernen Welt zurechtzufinden versucht und langsam wieder auf die Beine kommt, ist in eine Menge teilweise zum Schreien komischer Gags verpackt, die pointiert präsentiert werden. Erste Gänsehautmomente schleichen sich jedoch spätestens dann ein, wenn die ganz normalen Leute von nebenan ihr mehr als braunes Gedankengut verbreiten und auf Hitlers Ideologie ohne Zögern einsteigen.
Dabei erinnert der dokumentarische Anstrich in weiten Teilen an die Reise, die »Borat« im gleichnamigen Film durch die USA führt und die Engstirnigkeit der US-Bürger erschreckend klar entlarvt, denen Borat unterwegs begegnet und in der Rolle des Fremden zur amerikanischen Kultur und dem Alltag befragt.

Als Hitler damit beginnt, seine früheren Rhetoriktricks in der Fernsehshow anzuwenden, ist sein Aufstieg unvermeidlich. Die Begeisterung der Medien für Hitler, egal ob Fernsehen, Zeitungen oder Youtube-Blogger, wirkt zunächst nachvollziehbar, driftet aber schleichend ins Groteske ab und zeigt, wie leicht verführbar eine geneigte Öffentlichkeit sein kann, wenn man ihn nur einen leichten Einstieg über die Satire ermöglicht.

Auch ein Blick in die Zeitung lässt es ihn noch nicht ganz glauben
Genial dargestellt von Oliver Masucci, wirkt Hitler in keinem Moment albern, selbst wenn er mit dem modernen Alltag kollidiert. Gerade durch die authentische und harsche Art, in der Masucci seinen Hitler spielt, erscheint er einem neben dem zunächst etwas naiven Sawatzki als die einzige in sich ruhende Persönlichkeit im deutschen Medienzirkus, der nur von Gier nach der Quote und rigorosem Machtwillen geprägt zu sein scheint. Doch spätestens nachdem der langfristige Erfolg sich abzeichnet, entwickelt Masucci seinen Hitler ein gutes Stück weiter, ein gewisses Herrenmenschengehabe findet ebenfalls in die Darstellung Eingang, bis sich Hitler im Abspann auf dem Höhepunkt präsentiert.

Leider bleiben die anderen Charaktere neben Masuccis gelungenem Spiel etwas blass. Weder Christoph Maria Herbst in der Rolle des aufstiegswilligen Medienkarrieristen Christoph Sensenbrink noch Katja Riemann als TV-Pwerfrau Katja Bellini können wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die im Buch durchaus wichtige Intrige, welche Sensenbrink gegen Bellini fährt, um ihren Platz einzunehmen, wird im Film nahezu unerwähnt und zugunsten mehr Screentime für das dynamische Duo Sawatzki/Hitler beiseite gelassen.
Gerade die zu Beginn als starke Frau inszenierte Bellini wird im Verlauf der Story mehr und mehr demontiert, bis sie schließlich zum weiblichen Nazi-Ideal einer braven Frau verkommt, welche an der Seite des starken Mannes sitzt und alles dafür tut, dass sein Aufstieg voran kommt, ohne noch eigenen Ruhm aufzubauen. Einzig Franziska Wulfs Darstellung der schillernden Goth-Sekretärin Vera Krömeier bietet da eine echte Abwechslung und bietet einen herrlichen Kontrast zu Masucci.

Sekretärin Vera Krömeier macht Hitler mit dem Internet vertraut
Die Entscheidung, aus dem türkischen Buchcharakter »Ali Witzgür«, in dessen TV-Show Hitler seinen ersten großen Erfolg feiert, einen braun angemalten deutschen Moderator zu machen, lässt sich ebenfalls nur schwer nachvollziehen, selbst wenn Michael Kessler seinen Michael Witzigmann in all seiner quotengeilen Inhaltsleere gelungen darstellt. Amüsante Notiz: Sowohl Herbst als auch Kessler haben bereits einen satirischen »Hitler« dargestellt; auch eine Szene aus dem bekannten Hitler-Film »Der Untergang« wird nach Sensenbrinks Übernahme von MyTV parodiert.

Immer wieder werden in die Erzählung Filmschnipsel eingestreut, die einen mit der brutalen Vergangenheit konfrontieren und daran erinnern, dass »Er ist wieder da« nicht nur unterhaltsam sein will, sondern auch aufmerksam machen. 
Während Sawatzki im Lauf der Story als einziger realisiert, dass Hitler keineswegs nur ein Method Actor ist, sondern herausfindet, dass es sich um den »echten« Hitler handeln muss, bleibt die Umgebung überaus willig blind und lässt sich von der Gier nach Geld und Ruhm blenden. Sicherlich könnten viele der Beteiligten Fragen nach Hitlers Herkunft stellen, sich mehr mit ihm beschäftigen – doch der einzige, der das von all den vielen, die von ihm profitieren, letztendlich tut und dafür einen hohen Preis bezahlt, ist Filmemacher Sawatzki.

Hitler zieht ein bitterböses Fazit
Die Zuschauer, Fans und fast alle einfachen Leute auf der Straße bleiben ahnungslos und suchen sich aus Hitlers offen zur Schau getragenen Ideologie das für sie passende heraus, ohne dabei zu bedenken, dass sie sich damit auch die weniger angenehmen Teile des Gedankenguts mit einkaufen. Welche Folgen dieses Gedankengut einstmals hatte, wird dem Zuschauer glücklicherweise in einer sehr prägnanten Szene zwischen Oma  Krömeier und Hitler vor Augen geführt: Im letzten Drittel des Filmes kippt die allgemeine Stimmung von einer humorvollen Satire endgültig zu einem bitterbösen Spiegel, der unserer deutschen Gegenwart relativ deutlich vorgehalten wird.
Ohne diesen letzten, schonungslosen Teil, in dem die Filmfigur Hitler dem Zuschauer klar sagt, dass ein Teil von ihm auch in jedem von uns steckt, wäre der Film zwar unterhaltsam, aber ohne den nötigen Tiefgang gestaltet worden. Glücklicherweise blieb auch hier der Film der Buchvorlage treu und wird damit zu einer sehenswerten Produktion, die einen nachdenklich machen kann.

Fazit: Herausragend dargestellter Hitler in einer pointierten Satire, die allerdings unter schwachen Nebenfiguren leidet. Acht von zehn möglichen Punkten.

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Filmdetails:
Titel: Er ist wieder da
Originalsprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 2015
Länge: 116 Minuten
Altersfreigabe: FSK 12
Regie: David Wnendt
Darsteller: Oliver Masucci, Fabian Busch, Katja Bellini, Christoph Maria Herbst, Franziska Wulf, Michael Kessler, Lars Rudolph

Über Gloria H. Manderfeld

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